Als ich mit dem Fotografieren begonnen habe, dachte ich naiverweise, dass es reicht wenn ich weiß wie man ein Foto macht, sprich wie ich meine Kamera bediene. Leider gehören zum Alltag eines Fotografen noch ein paar andere Themenbereiche die man beherrschen muss, ansonsten kann man seinen Job bald an den Nagel hängen.
1. Fotografieren
Das Erste und Wichtigste ist: Man muss fotografieren können. Fotografieren können bedeutet die Technik zu beherrschen und eine Gespür für Bilder zu haben. Wenn du der Obertechfreak bist und alle Parameter deiner Kamera auswendig weißt, dann ist das nett, aber noch kein Garant dafür, dass du auch gute Bilder machen kannst. Und wenn du ein super Gespür für Szene und Bildaufbau hast aber immer im Automatikmodus fotografierst, weil du dich für die Technik nicht interessierst, wird aus dir nie ein Meister. Es gehören leider beide Aspekte dazu. Ist so.
2. Lichtformen
Nachdem du nach tausenden Bildern dann endlich glaubst, dass du fotografieren kannst, stellst du fest, dass die Fotos von deinem Vorbild immer noch besser aussehen als deine, egal wie sehr du dich bemühst. Und auch, wenn du versuchst Kameraeinstellungen und Szene originalgetreu zu übernehmen. Der Unterschied ist das Licht. Als Fotograf musst du es beherrschen und formen. Man stellt dann fest, dass es neben all der Technik an der Kamera noch ganz viel über das Thema Licht zu lernen gibt. Hartes und weiches Licht, Farbtemperatur, Lichtformer, räumlicher Umfang, Richtung des Lichtes, Diffusion,… Um das alles zu beherrschen vergehen wieder ein paar tausend Fotos.
3. Nachbearbeitung
Als Meister des Lichts und der Kamera glaubst du nun du hast endlich alles gelernt, um perfekte Fotos zu machen. Nur leider gibt es noch ein drittes Element, das du beherrschen musst: die Nachbearbeitung! Bilder wurden seit jeher schon nachbearbeitet und heute gehören Photoshop und Konsorten einfach zum Standard dazu. Hautretusche, Farbkorrektur, Dodge & Burn, Bildlook, verflüssigen – viele lange Nächte mit Youtube-Tutorials stehen an.
4. Projektmanagement
Nun beginnt der Spaß erst richtig. Gute Fotos alleine reichen nicht, man muss auch Projektmanagen können. Kunden, Mietstudios, Sytlisten, Visagisten, Assistenten, Wetter, Requisiten, Locations – all das und noch viel mehr muss koordiniert werden, damit am Ende wirklich ein gutes Foto entsteht mit dem der Kunde und auch der Fotograf zufrieden ist. Mit ein paar Anrufen und Whats-app Messages am Tag des Shootings ist es nicht getan. Das Projekt muss schon viel früher geplant und koordiniert werden, damit jeder weiß, wann er wo zu sein hat und was er zu tun hat, und natürlich was er auf jeden Fall mitbringen soll. Natürlich gehört da auch ein wenig Dokumentmanagement dazu: Modelrelease, Locationrechte, Mietverträge, Rechnungen und Belege usw. Und dann nicht die Nachbetreuung vergessen! 😉
5. Networken / Social Media
Fotografen gibt es wie Sand am Meer, das heißt die Wahrscheinlichkeit, dass dir Kunden die Tür einrennen werden, ist gleich null. Ähnlich wie bei guten Restaurants, Zahnärzten oder Masseuren, ist Empfehlungsmarketing enorm wichtig. Deine Kunden müssen ihren Freunden erzählen wie toll es bei dir war. Das geht weit über gute Fotos hinaus, die ganze Zusammenarbeit muss Spaß gemacht haben, einfach und erinnerungswürdig sein. Um an Kunden zu kommen und empfohlen zu werden musst du Netzwerken, on- und offline. Du musst Leute daran erinnern, dass es dich gibt und dass du tolle Arbeit leistest. Dazu gehört die tägliche Betreuung deiner Facebookseite, Instagram, Twitter, Pinterest und Google+ ebenso wie die fachspezifischeren Seiten 500px, deviantart und behance. Und nebenbei musst du dich in der echten Welt auch noch blicken lassen, je nach Spezialisierung reicht das von der Hochzeitsmesse bis zur Fashionweek und dem gelegentlichen Fotografenstammtisch. Nicht zu vergessen die Veranstaltungen der Innung, schließlich sind wir in Österreich. Allein das Networking an sich kann als full-time Job angesehen werden.
6. Entertainen
Als Fotograf muss man ein Entertainer sein. Damit sich Kunden oder Models (je nach Auftrag) vor deiner Linse wohlfühlen und sich im Nachhinein positiv an dich erinnern. Meist treffen bei einem Shooting eine Menge Leute zusammen, die sich nicht unbedingt kennen. Die Arbeitsatmosphäre kreativ und entspannt zu gestalten ist die Aufgabe des Fotografen. Ebenso muss man oft viel Zeit überbrücken. Models werden geschminkt, umgezogen, Sets und Licht aufgebaut. Das dauert alles seine Zeit, wenn man dazwischen nicht den Mund aufbringt und die Leute unterhält, herrscht schnell eine bedrückende Stille.
7. Schminken
Viele werden sich wundern, warum man sich als Fotograf mit Make-up auskennen muss, wo es doch Visagisten gibt, die man dafür bucht? Klar, aber die wollen von einem dann wissen, wie das Model geschminkt werden soll. Shootet man in Schwarz/weiß oder Farbe, wie soll der Look sein, sollen Gesichtspartien betont werden usw. Da muss man schon Antworten darauf haben und auch wissen, was das für das Foto und die Lichtsetzung im Nachhinein bedeutet. Ebenso wichtig ist ein Grundverständnis von Make-up für die Retusche, sonst kann man hier vieles falsch machen.
8. Posen
Im Idealfall läuft es wie bei Germany’s Next Top Model, das Model kommt auf’s Set, springt im Sekunden Takt von einer coolen Pose in die andere und der Fotograf muss nur noch abdrücken, da Licht und Kamera vom Assistenten eingerichtet worden sind. Die Realität schaut aber oft so aus, dass Menschen verschüchtert wie ein Sack Kartoffel vor der Kamera stehen und den Fotografen fragend ansehen. Nun muss man wissen, welche Pose einzunehmen ist und wie man das der Person vor der Kamera erklärt. “Stell dich mal cool/sexy hin”, ist da nicht sehr hilfreich.
9. Kostenrechnung & Rechtliches
Wenn man dann endlich alle Hard- und Soft-Skills des Fotografenalltags beherrscht stellt man plötzlich fest, dass man pleite ist. Einer der wichtigsten Faktoren nämlich ist Rechnungswesen. Im Fotografengewerbe wird vieles über den Preis entschieden und Preisdumping betrieben. Jeder will billiger sein als der Rest, nur damit er den Job bekommt. Das geht natürlich oft nicht gut, besonders wenn man den eigenen Mindeststundensatz nicht kennt und keine Ahnung hat, wie viele verrechenbare Stunden man benötigt, um sich das Leben (sprich: Sozialversicherung, Umsatzsteuer, Miete, Betriebskosten, Material, Werbung, Telefon, Weiterbildung,…) leisten zu können. Neben Einstandspreis und Selbstkosten sollte man dann auch noch AGBs verstehen, Bildrechte korrekt übertragen können und natürlich über Copyright, das Recht am eigenen Bild und die Rechte eines Fotografen Bescheid wissen. Schließlich will man doch nicht das Werknutzungsrecht mit der Werknutzungsbewilligung verwechseln, das könnte teuer kommen. 😉 Innung, Wirtschaftskammer und Wifi können hier weiterhelfen.
10. Weiterbildung
Wer rastet rostet. Leider stimmt das auch in der Fotografie und man muss sich laufend weiterbilden um am Ball zu bleiben. Von Kameratechnik, über Software, über Blitzgeräte, ständig kommen neue Produkte auf den Markt. Ebenso ist es wichtig seine Webseite up-to-date zu halten, über die neusten Fashiontrends Bescheid zu wissen, immer wieder neue, tolle Locations zu finden, und, und, und… Aber das geht sich ja zeitlich locker nebenbei aus… 😉
Wie ihr seht gehört doch einiges mehr zum Job eines Fotografen, als nur auf den Auslöser zu drücken. Wie seht ihr das? Beherrscht ihr alle 10?
Cover photo: Dylan Whiting